Pobedonoszew, Konstantin (1827 - 1907)

"Dostojewski war über Fürst Meschtscherskij mit Pobedonoszew bekannt geworden. Während Dostojewskijs redaktioneller Tätigkeit am `Staatsbürger`, arbeitete er eng mit Pobedonoszew zusammen, der ihm seinerseits Hinweise und Informationen, vielleicht auch der III. Abteilung zukommen ließ."
Briefe, Piper Verlag S. 681
 
„Der Staatsbürger galt als offiziöses Blatt des Kreises um Pobedonoszew.“
Vgl. Briefe; Piper S. 558
 
Er war Dostojewskis Freund, zugleich sein Beobachter und eine Art Vorzensor, mit dem er auch in fragwürdiger Freundschaft korrespondierte. In der Zeit, in der "Die Brüder Karamasow" entstanden, war Pobedonoszew Oberprokuror des Heiligen Synods (de-facto-Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche) und Professor der Justiz. Er unterrichtete zwei Zarensöhne in Gesetz und Recht.
 
"Über ihn war der Spottvers `Pobedonoszew - Bednoszew - Donoszew` im Umlauf. Übersetzt: `Pobedonoszew - Unheilbringer - Denunziant`. Als er mit Dostojewski Bekanntschaft schloß, gab er sich vor allen Dingen als Slawophile."
Anna Shegers; Glauben an Irdisches S. 129
 
 Konstantin Petrowitsch Pobedonoszew 

Pobedonoszew ist demnach eine Art "persönlicher Werkszensierer" von Dostojewski gewesen.
"Was Dostojewski vor allem mit Pobedonoszew verband, war die radikale Ablehnung der westeuropäischen Kultur und ihrer staatlichen Ordnung, eine Ablehnung, die theoretisch im Wesentlichen in den Konzeptionen der Slawophilen gründete."
Briefe, Piper Verlag S. 681
 
Im Mai 1980 verabschiedet sich Dostojewski in einem Brief von Pobedonoszew, wie folgt:
„Vom kommenden Jahr an, das habe ich jetzt schon beschlossen, möchte ich unbedingt `Das Tagebuch eines Schriftstellers` wieder aufnehmen. Dann will ich wieder zu Ihnen kommen, um mir Hinweise zu holen (so wie ich seinerzeit zu Ihnen kam), die Sie mir, das ist mein heißer Glaube, nicht verweigern werden.
Nehmen Sie einstweilen die Versicherungen meiner wärmsten Ergebenheit entgegen.
Ihr gehorsamster Diener F. Dostojewski“
Briefe; Piper  S. 482
 
Pobedonoszew in einem Brief an Iwan Aksakow (30. Januar 1881):
"Ich kannte diesen Menschen recht gut, der Sonnabendabend war ausschließlich für ihn vorbehalten, und er kam nicht selten zu mir."
Thieß, Frank; Dostojewski - Realismus am Rande der Transzendenz S. 193
 
Weiter heißt es in diesem Brief:
„Wir haben oft und intim miteinander gesprochen, die Zeit, da er den `Graschdanin` leitete, hat uns einander nahe gebracht. Er tat mir in seiner verzweifelten Lage leid, und ich arbeitete einen ganzen Sommer mit ihm zusammen; bei dieser Gelegenheit wurden wir Freunde. In diesen Zeiten war er für unsere Sache der gegebene Mann. Nun kann ihn niemand ersetzen, er stand für sich ganz allein da . . .“
F. M. Dostojewski – Briefe, Piper 1920 S. 297
 
Nach der Ermordung Alexander II. - Pobedonoszew in einem Brief an Alexander III.:
"Der Tod Dostojewskis ist ein herber Verlust für Rußland. Im Milieu der Literaten war er wohl der einzige, der die grundlegenden Ursprünge des Glaubens, des Volkstums und der Liebe zum Vaterland leidenschaftlich verbreitete."
Ebenda
 
"Er gilt als wichtigster Vertreter des russischen Konservatismus und als „graue Eminenz“ der kaiserlichen Politik während der Amtszeit seines Schülers Alexander III.."
Wikipedia
 
Da Pobedonoszew als äußerst loyal galt, darf das auch für die Zeit vor Alexander III. gelten - also zu Dostojewskis Lebenszeiten, da Alexander II. für eine liberalere Staatsführung verantwortlich war. Es ist demnach nicht zwingend, dass Pobedonoszew zu Lebzeiten Dostojewskis bereits als ausgeprägter Reaktionär in Erscheinung getreten ist, wie er es nach dem Tod von Alexander II. zweifelsfrei gewesen ist.
 
 Konstantin Petrowitsch Pobedonoszew (1827-1907)
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"Pobedonoszew war persönlicher Freund Dostojewskijs, und diese Freundschaft wird wohl das Ihrige dazu beigetragen haben, dass der Kampf gegen die Gebrechen  dieser (der russisch-orthodoxen) in den Werken des großen Schriftstellers so gut wie vollständig fehlt."
Szylarski, Solowjew und Dostojewskij S. 37