Zitate über seine Werk

"Dostojewski wirft eine Welt ins Feuer, auf dass ihre Flamme zum Zeichen werde."
Schneider, Reinhold; Freiheit und Gehorsam S. 104
 
“In jeder Stimme hörte er zwei streitende Stimmen, in jedem Ausdruck ein Bruch und sofortige Bereitschaft, in einen anderen gegensätzlichen Ausdruck zu übergehen; er verstand die tiefe Doppel- und Mehrdeutigkeit jeder Erscheinung. Alle diese Widersprüche entwickelten sich als ewige Harmonie der nichtvereinbaren Stimmen oder als ihr unschweigsamer und endloser Streit.”
Bachtin, Probleme der Poetik von Dostojewskij
 
"Kein Dostojewski-Mensch ist bildhaft geschaut, noch vermag er bildhaft zu schauen. Vage Bündel zerknitterten Unbehagens, liegen sie meistens mit offenem Hemdkragen auf dem fleckigen Wachstusches ihres Schlafsofas dahin und treiben Seelenonanie, immer vom Angstschweiß eines Erfürchteten pariahaft verklebt, gehen dann, verkrampfte Hörige einer boshaften Schimäre mit ihrem üblen Tage schwanger. (. . .) Immer knirschend oder zerknirscht, gekränkt oder Kränkung witternd, erlechzend auch, laufen sie ihre entzündeten Nerven entlang, bis in die Enden jeder Manie, ohne dass dies Hemmungslose in ihnen Fülle werden könnte, denn zu Krampf gesteigerte Schwachheit ist es, nicht Überschwang der Kraft."
Idiotenführer durch die russische Literatur,  Sir Galahad,   Albert Langen Verlag  1925
 
"Käme nur ein einziges Mal in einem Roman Dostojewskis jemandem die Erleuchtung, ein Fenster aufzumachen, zwei Drittel aller Psychologie entwichen mit den Übrigen und auf der Stelle."
Ebenda
 
"Erledigt geboren, steht keiner unter steigender Sonne, keiner mit der Stirn in den Sternen, keiner wird in der Liebe körperlich wunderbar oder weiß auch nur um die kristallne Verzückung von etwas Vollkommenen. (. . .) Schließlich schaufeln diese Lemuren immer wieder auf höchstverwickelte Methode sich und Dostojewskis Kunst das Grab."
Ebenda
 
 Bertha Eckstein-Diener (Pseudonym Sir Galahad)
 
„Maxens Einwand gegen Dostojewski, dass er zu viel geistig Kranke auftreten lässt. Vollständig unrichtig. Es sind nicht geistig Kranke. Die Krankheitsbezeichnung ist nichts als ein Charakterisierungsmittel, und zwar ein sehr zartes und sehr ergiebiges.
( . . .)
Seine Charakterisierungen haben in dieser Hinsicht etwa die Bedeutung wie Schimpfworte unter Freunden. Sagen sie einander »du bist ein Dummkopf«, so meinen sie nicht, dass der andere ein wirklicher Dummkopf ist, sondern es liegt darin meistens, wenn es nicht bloß Scherz ist, aber selbst dann, eine unendliche Mischung von Absichten.“
 
"Die Vielfalt selbständiger und unvermischter Stimmen und Bewußtseine, die echte Polyphonie vollwertiger Stimmen ist tatsächlich die Haupteigenart der Romane Dostojewskis."
Bachtin, Probleme der Poetik von Dostojewskij
 
"Nie hat ein Dichter weniger dem bloßen Fassungsvermögen und der simplen Wahrnehmung gegeben."
Suares, Andre, Dostojewski S. 56
 
"Die Dämonen gelten als jenes Werk Fedor Dostoevskijs, das sich dem Verständnis des Lesers am schwersten erschließt. Das Verhältnis von historischem Material und fiktionaler Verarbeitung ist insofern komplex, als Züge mehrerer historischer Persönlichkeiten in einer einzigen literarischen Figur vereinigt sind und umgekehrt Merkmale einer einzigen Person auf mehrere literarische Gestalten verteilt."
 
Der Idiot
Fast ebenso berühmt wie der Roman ist Dostoevskijs Absichtserklärung geworden, er habe einen "positiv schönen Menschen" darstellen wollen. In diesem Zusammenhang taucht in den Romanentwürfen dreimal die Formel "Fürst Christus" auf. Es scheint also möglich, die Romanhandlung als Allegorie der Präsenz Christi in der Welt zu lesen.
 
"Solche Werke wie `Arme Leute` erschließen sich niemandem auf den ersten Blick: sie verlangen, daß man sie nicht nur liest, sondern studiert."
Aus Belinskis Rezension von "Arme Leute" in dem Aufsatz "Petersburger Sammelband (erschienen 1846) vgl. Düwel
 
Nabokov über Schuld und Sühne:
"Der  `Killer und die Nutte` lesen gemeinsam das `Buch der Bücher`- welch ein Unsinn!"
Vgl. Nabakov, Lectures on Russian Literature und Neuhäuser, Dostojevskij - Interpretationen und Analysen S. 64
 
 Vladimir Nabokov
 
"Nabokov wirft Dostoevskij vor, er übertreibe auf unkünstlerische Weise vertraute Emotionen, um bei seinen Lesern einen billigen Effekt zu erreichen. Nabokov macht seinen Vorwurf an einem einzigen Satz aus Prestuplenie i nakazanie fest, der – wie er sagt – an Stupidität in der ganzen Weltliteratur nicht seinesgleichen haben dürfte. Dieser Satz beschreibt den Mörder Raskolnikov und seine Geliebte Sonja bei der Lektüre der Bibel. Er lautet: „Die Kerze im schiefen Leuchter war schon tief heruntergebrannt und beleuchtete trübe den Mörder und die Hure in diesem armseligen Zimmer, die sich beim Lesen des Ewigen Buches so seltsam zusammengefunden hatten. „Nabokovs ganze Kritik richtet sich auf das Zusammenbringen des völlig Zusammenhanglosen. Das unglückliche Mädchen, das zur Hure geworden sei, habe nichts gemeinsam mit dem schmutzigen Mörder. Die ganze Szene erscheint Nabokov als sentimentales Klischee, das den spießbürgerlichen Sündenbegriff übersteigert und in religiöser Larmoyanz auflöst."
Ulrich Schmid in Nabokov als Literaturwissenschaftler
 
"Dostojewskis Romane gehören nicht eigentlich zur erzählenden Literatur. (. . . ) Die Leser erfahren kaum etwas über das Aussehen der Handlungsfiguren, über ihre Wohnungen oder über ihre Biographien."
Schmid, Ulrich; Tolstoijewski und Co
 
"Es fehlt in der Welt Dostojewskis jede Spur von mondän-skeptischer Selbstgefälligkeit, von eitler Selbstbespiegelung und Spielerei mit der eigenen Einsamkeit und Verzweiflung."
Lukàcs George, Der russische Realismus in der Weltliteratur; Aufbau-Verlag 1946  S. 190 (in Anlehnung an Strachow)
 
"Dostojewskis episches Personal erschien mir immer einzigartig, nur eigentümlich für ihn selbst. Die Lästerer und die Geläuterten, die Sucher und Empörer, die Säufer, Verschwender, Beamten, die Hungernden, Kranken, Hoffnungslosen, die Barmherzigen und die Unbarmherzigen, all die Heftigen, exaltierten, nie in ihrer Arbeit vorgeführten Leute, haben eine Imprägnierung, die sie sogleich als Dostojewskis Eigentum ausweist."
Lenz, Siegfried; Wir und Dostojewski
 
 Dostojewski 1862
 
"Alles was Dostojewski in seinen letzten Jahren noch geschrieben habe, hätte nun Bedeutung nur insofern, als es ein Spiegel des Vergangenen sei, denn einen neuen, weiterführenden Schritt habe Dostojewski darüber hinaus nicht mehr getan."
  
„Dostojewski hat in der Gestalt des Menschen aus dem Untergrund ein krankes und böses Tier geschaffen."
Gorki, Maxim; Über Weltliteratur – Aufsätze S. 192
 
„Es braucht niemand seiner kritischen Gewissenhaftigkeit besondere Gewalt anzutun, um das letzte Wort des Dichters nach seinem Herzen zu deuten.“
Otto Kaus, Dostojewski und sein Schicksal S. 36
 
„Dostojewskij macht sich mit `seinen` ins Werk gesetzten Vorlieben und Vorurteilen zum Sprachrohr, zum Medium  der `populären` russischen Vorlieben und Vorurteile.“
Gerigk, Das Russland-Bild Dostojewskijs S. 67  In: Zeitperspektive - Studien zu Kultur und Gesellschaft
 
Joseph Conrad stichelt in einem Brief an E. Garnett 1917  gegen das Werk Dostojewskis und spricht von „seltsamen Kreaturen in einer Manege oder verfluchte Wesen, die sich gegenseitig die Köpfe einschlagen in stickiger Dunkelheit mystischer Widersprüche.“
Vgl. Gerigk; Turgenjew 2015