Sonjas Tod



Die Tochter Sonja verstirbt bereits am 24. Mai desselben Jahres.
 
 
Im Juni schreibt Dostojewski in einem Brief aus Vevey an Majkow:
„Meine Sonja ist gestorben, vor drei Tagen haben wir sie begraben. Zwei Stunden vor ihrem Tode habe ich nicht gewusst, dass sie sterben wird; der Arzt hatte drei Stunden vor der Katastrophe gesagt, dass ihr besser sei und dass sie leben werde. Sie war im ganzen eine Woche krank – eine Lungenentzündung war’s. Ach, Apollon Nikolaewitsch! Mag doch meine Liebe zu meinem ersten Kindchen lächerlich gewesen sein, mag ich mich doch lächerlich in meinen vielen Antwortschreiben auf die Glückwünsche darüber ausgedrückt haben!
 
Es war ja nur ich, der für sie lächerlich war, aber Ihnen, Ihnen zu schreiben fürchte ich mich nicht. Dieses winzige, drei Monate alte Wesen, so armselig, so klein – für mich war es schon eine Persönlichkeit und Charakter. Sie fing schon an, mich zu erkennen, liebzuhaben, sie lächelte, wenn ich auf sie zukam. Wenn ich ihr mit meiner komischen Stimme Lieder sang, so liebte sie ihnen zu lauschen. Sie hat nie geweint oder das Gesichtchen verzogen, wenn ich sie küsste; sie hat zu weinen aufgehört, wenn ich zu ihr trat. Und nun sagen sie mir zum Troste, ich würde noch andere Kinder haben.
 
Wo aber ist Sonja? Wo ist diese winzige Persönlichkeit, um derentwillen ich, offen spreche ich’s aus, die Kreuzmarter auf mich nähme, wenn sie nur leben würde? Nun – lassen wir das, meine Frau weint. Übermorgen werden wir uns endlich von unserem Grabhügel trennen und irgendwohin fortfahren.“
Hitzer; Dostojewski - Gesammelte Briefe 1833 - 1881, Piper 1966
 
 Sonjas Grabstein in Genf  © claus harmsen, photoagentur stones & art
 
Auf der Grabplatte sind Geburts- und Sterbedaten sowohl nach dem russischen als auch nach dem im Westen geltenden Kalender angegeben.
 
Dostojewski an A. N. Majkow im Mai 1868  aus Genf:
"Beiläufig noch eine große Bitte: Sagen Sie über den Tod meiner Sonja keinem meiner Verwandten etwas, falls Ihnen jemand begegnen sollte. Wenigstens wäre es mir sehr erwünscht, dass sie vorderhand nichts davon erfahren, selbstverständlich auch Pascha nicht. Denn es scheint mir, dass es nicht nur keinem von ihnen um mein Kind leid sein wird, sondern dass sie eher das Gegenteil empfinden werden, und der bloße Gedanke daran erbittert mich. Was hat das arme Wesen ihnen getan? Mögen sie mich hassen, mögen sie über meine Liebe lachen, mir ist es einerlei."
 
Dostojewskis ziehen von Genf nach Vevey, weil sie es nicht ertragen, an dem Ort zu verweilen, an dem ihre Tochter - ihr erstes Kind - starb.