Ende eines Fluchs




Dostojewski am 28. April 1871 aus Wiesbaden im Brief an seine Frau:
„Anja, mein Schutzengel! Mir ist etwas Großes widerfahren, verschwunden ist die lasterhafte Fantasie, die mich fast 10 Jahre geplagt hat. Zehn Jahre (oder richtiger: seit dem Tod meines Bruders, als ich plötzlich von Schulden fast erdrückt wurde) träumte ich immer davon, leidenschaftlich. Jetzt ist alles vorbei! Das war wirklich das allerletzte Mal!
Wirst Du mir glauben, Anja, dass meine Hände jetzt frei sind, ich war durch das Spiel gefesselt, ich werde jetzt an die Arbeit denken und nicht mehr nächtelang vom Spiel träumen, wie das bisher der Fall war.“
Hitzer (Hrsg.); Briefe, Piper S. 399
 
Und dieses Mal sollte er Recht behalten.
 
 Spielcasino in Wiesbaden   (c) Wiki-Commons
 
Gelegentlich findet man die Annahme für diesen Sinneswandel, läge in einem Vorfall, den Dostojewski im selben Brief zuvor schildert:
„Gegen halb zehn Uhr hatte ich alles verspielt und ging wie betäubt hinaus; ich litt so sehr, dass ich sogleich zum Pfarrer lief (beruhige Dich, ich war nicht dort, ich war nie bei ihm und werde auch nie hingehen).
(…)
Aber ich verirrte mich in der Stadt, und als ich zu einer Kirche kam, die ich für eine russische hielt, sagte man mir im Laden, es sei keine russische Kirche, sondern die jüdische Synagoge. Das wirkte wie eine kalte Dusche. Ich stürzte nach Hause, es ist nun Mitternacht, ich sitze da und schreibe Dir. (Zum Priester werde ich nicht gehen, ich werde nicht gehen, ich schwöre dass ich nicht gehe!)“
Ebenda  S. 397 ff
 
 Jüdische Synagoge in Wiesbaden  (c) Wikipedia
 
Man findet dahingehende Interpretationen, dass Dostojewski derart geschockt gewesen sei, dass er das geschilderte Erleben wie folgt, für sich begriffen habe:
Das Laster der Spielsucht treibt ihn in die Hände des, seiner Überzeugung nach Russenfeindlichen, gehassten Juden. Einerseits. Andererseits will ihn die Spielsucht dazu nötigen, bei den von ihm generell gehassten Popen Bittsteller zu sein. Die Lösung ist folglich, sich von der Spielsucht zu lösen.
 
Nahezu am Ende des oben angeführten Briefes, legt er nochmal in einem Postum Skriptum nach:
„PS: Zum Priester werde ich nicht gehen, um nichts in der Welt, auf keinen Fall. Er ist einer der Zeugen des Alten, Vergangenen, Früheren, Verschwundenen. Es würde mir schon weh tun, ihn nur zu sehen.“
Ebenda S. 400
 
Bereits 1868 wurde ein Bundesgesetz erlassen, das das Glücksspiel mit Beginn des Jahres 1870 auch in Deutschland verbot.