Maria Dimitrijewna Issajewna 1857 - 1864






„Zuchthäusler! Ehrloser Zuchthäusler!“


„Maria Dimitrijewna Issajewna, die Frau eines trinksüchtigen Ehemannes. Sie war die Tochter eines Mamelucken Napoleons. Während Maria Dimitrijewna in ihrem faszinierenden Äußeren nichts von der afrikanischen Abstammung ihres Vaters verriet, sah ihr damals siebenjähriger Sohn Pawel fast aus wie ein Mulatte.“
Doderer, Otto; Die Unnachgiebigen, Verlag Butzon & Berker 1950

„Sie war eine leichtsinnige Person, die man für eine Französin hielt und die auch fließend französisch sprach. Sie hatte lebhafte geistige Interessen und war in der Kleinstadt der Mittelpunkt der Gesellschaft.“
Ebenda

    Maria Dimitrijewna Issajewna

Dostojewski an seinen Bruder nach anderthalbjähriger Bekanntschaft mit ihr:
„Diese Dame ist noch jung, 28 Jahre, sie ist schön, wohlerzogen, sehr klug, freundlich, bezaubernd, graziös und hat ein zartes, edles Herz.“

„Maria Dimitrijewna litt gleich ihm (Dostojewski) unter der Eintönigkeit und dem Stumpfsinn von Semipalatinsk, und seine Verliebtheit schmeichelte ihr sehr, aber sie hatte weder für sein Talent noch seine Wesensart ein tieferes Verständnis und hielt ihn wörtlich für einen Mann ohne Zukunft.“
Maurina, Zenta; Dostojewskij, Maximilian Dietrich Verlag 1952

Wrangel in seinen Erinnerungen:
„Ich glaube nicht, dass sie ihn hoch schätze; sie hatte einfach eher Mitleid mit ihm. Es ist auch möglich, dass sie an ihm hing, aber verliebt war sie jedenfalls nicht in ihn. Sie wusste, dass er die Fallsucht hatte und bittere Not litt. (…) Fjodor Michailowitsch fasste aber ihr Mitleid und Mitgefühl als Liebe auf und verliebte sich in sie mit dem ganzen Feuer seiner Jugend.“
F. M. Dostojewski – Briefe, Piper 1920 S. 267

„Dostojewski schrieb laut Wrangel `ganze Kladden voll` von Liebesbriefen an seine erste Frau, wovon nur einer erhalten ist. Auch Marias Briefe sind verloren gegangen. Zwar erwähnt Dostojewski das Verhältnis auch wenn er an andere schreibt, aber in diesen Briefen wurden ganze Passagen von seiner zweiten Frau Anna Grigorjewna sorgfältig getilgt.“
Kjetsaa, Geir; Dostojewski, VMA Verlag Wiesbaden 1985 S. 154

In dem erhaltenen Brief Dostojewskis an Isajewna gibt er mit einem einfachen Satz, einen sicherlich wesentlichen Beweggrund für die gleißende Liebe zu ihr: „Allein dass eine Frau mir ihre Hand entgegenstreckte, war eine ganze Epoche in meinem Leben.“ (4. Juni 1855 aus Semipalatinsk)
Schröder, Ralf; Dostojewski - Briefe Band 1, Insel Verlag  S. 115

Dostojewski soll keinen Hehl daraus gemacht haben, dass er von Maria Liebesbeweise erhielt. So betrank sich sein Freund Wrangel einen Abend vor der Abreise der Isajews mit ihrem Ehemann, um Dostojewski und ihr einen angenehmen Abend zu ermöglichen.


„Alle die ihm nahe standen, seine Regimentskameraden, sein Freund Wrangel, seine Verwandten und sein Bruder Michael, rieten ihm von der Heirat ab.“Nötzel, Karl; Dostojewski, H. Haessel Verlag, 1925 S. 314

Die Hochzeit fand am 3. Februar 1857 in Kusnezk statt.

„Erst nach der Heirat wurde ihm klar, dass sie ihn nie geliebt hatte. Seit 1958 ist die schwindsüchtige für den Ehemann nur noch ein Objekt der Fürsorge.“
Hitzer; Briefe Piper Nachwort S. 664

„Maria Dimitrijewna war sehr eifersüchtig. Sie nahm es als selbstverständlich hin, dass Dostojewskij ihr jeden Leichtsinn verzieh. Sie benahm sich feindlich gegen die Verwandten ihres Mannes, insbesondere Michael, der gegen die Heirat Einspruch erhoben hatte.“
Maurina, Zenta; Dostojewskij, Maximilian Dietrich Verlag 1952  S. 98

„Das leidenschaftliche Temperament Dostojewskis hat die Begehrlichkeit lebhaft empfunden und ihre Hochzeitsnacht endet mit einem epileptischen Anfall. Er hat Maria mit Gewalt erobert und er hat sogar ihre Liebe erzwungen, die doch kein Zwang erträgt.“
Evdokimov Paul; Der Abstieg in die Hölle; Otto Müller Verlag Salzburg, 1965 S. 192

Auf der Rückreise von der Hochzeit erlitt Dostojewski während eines Zwischenaufenthaltes in Barnaul einen schweren epileptischen Anfall, der sie zwang weitere vier Tage dort auszuharren, bevor es Dostojewskis Gesundheitszustand erlaubte weiterzureisen. Maria Dimitrijewna war wohl nicht besorgt oder unruhig, sondern lediglich angewidert.

Barnaul
Auch nach ihrer Heirat:
Sie betrog ihn ständig weiter mit ihrem Liebhaber, der auch hinter ihnen herfuhr, als Dostojewski nach Twer versetzt wurde.
Vgl. Doderer, Otto; Die Unnachgiebigen

Sie forderte unentwegt Geld für sich, ihren Liebhaber und ihren verkommenen Sohn Pawel. Dostojewski gab alles was er hatte, borgte sich Geld bei mehreren Bekannten, lebte in kargster Bescheidenheit. Nahezu alles Geld ging ohne jegliche Rechenschaft an Maria.

Die letzten 2 Jahre lebten sie getrennt.

„Oftmals soll sie stundenlang schweigend in ihrem Lehnstuhl gesessen haben und dann plötzlich aufgesprungen und an einer Wand hängendes Bildnis hingetreten sein, die Fäuste geballt und geschrien haben: `Zuchthäusler! Ehrloser Zuchthäusler!`“
Nötzel, Karl; Dostojewski, H. Haessel Verlag, 1925 S. 389

„Er fuhr voller Mitleid nach Twer und überredete die Sterbende, mit ihm nach Moskau zu kommen. (. . .) Sie willigte ein, und Dostojewski pflegte sie den ganzen Winter über, aufopfernd, bis sie im Frühjahr 1864 von ihren Leiden erlöst war.“
Doderer, Otto; Die Unnachgiebigen, Verlag Butzon & Berker 1950

Als sich ihre Krankheit verschlimmerte, verbrachte sie den Sommer in der Provinzstadt Vladimir.

Laut seiner zweiten Frau A. G. Dostojewskaja:
„Fjodor hat seine erste Frau inniglich geliebt. Das war sein erstes Liebeserlebnis. (...) Hier lernte er zum ersten Male alle Lust und alles Weh einer wahren Liebe kennen.“
Dostojewskaja A. G.; Erinnerungen, Rütten und Loening Berlin 1976

„Eifersüchtig, argwöhnisch gequält, zeigte sie sichtlich nur ein unendliches Mitleid für diesen der Hölle entkommenen Menschen, der sie mit der ganzen ungestümen Leidenschaft seiner Liebe überschüttete.“
Evdomikov, Paul; Der Abstieg in die Hölle, Otto Müller Verlag Salzburg 1965

„Maria hat das Modell zu mehreren Gestalten seiner Romane abgegeben. Katharina Iwanowna und „Schuld und Sühne“ ist ihr besonders ähnlich: sie ist schwindsüchtig, hoffnungslos arm, hat Wutanfälle und weint heiße Reuetränen. (. . .) Sie ging in ihrem Zimmer auf und ab und presste die Hände gegen ihre Brust; ihre Lippen waren trocken, sie atmete kurz und stoßweise. Ihre Augen glänzten wie im Fieber und ihr Blick war durchdringend und unbeweglich.“
Maurina, Zenta; Dostojewskij, Maximilian Dietrich Verlag 1952

Maria Dimitrijewna Issajewna kurz vor ihrem Tod

Nach Ihrem Tode; Dostojewski in einem Brief an seinen Freund Wrangel:
„Oh, mein Freund, sie liebte mich maßlos, auch meine Liebe zu ihr war grenzenlos, aber wir waren nicht glücklich . . . sie hatte einen leidenschaftlichen, misstrauischen, krankhaften Charakter und neigte zu Phantasien, aber wir konnten nicht voneinander lassen; je unglücklicher wir waren, desto fester klammerten wir uns aneinander. Das mag seltsam klingen, aber es war so. Sie war die ehrlichste und großzügigste Frau, der ich je in meinem Leben begegnet bin.“
Ebenda S. 84

Beerdigt wurde sie auf dem Friedhof, auf dem auch Dostojewskis Mutter beerdigt wurde.

In der Kölnischen Zeitung vom 13.11.1926 findet sich ein kurzer Artikel mit dem Titel "Dostojewskis Leben in Sibirien". Dort findet man auch Dostojewskis Weggefährten Wrangel mit seiner Meinung:

„Am Schicksal Fjodor Michailowitsch hatte sie leidenschaftlich teilgenommen und mütterliche Güte bewiesen; dass sie ihn ganz gewürdigt hätte, glaube ich nicht, sie hatte einfach ein inniges Mitleid mit diesem unglücklichen, vom Schicksal geschlagenen Menschen. Möglich, dass sie an ihm hing, aber verliebt war sie bestimmt nicht. Sowohl seine gänzliche Mittellosigkeit als auch seine `politische Verdächtigkeit` und seine epileptischen Anfälle schreckten die körperlich Zermürbte. Hinzu kam die Sorge um ihren einzigen Sohn Pascha (. . .)“