Belinskij, Wissarion (1811 - 1848)

"Ohne Zweifel war Belinski die komplizierteste Erscheinung in der geistigen Entwicklung F. M. Dostojewskis: Sie veränderte sich in den Augen des Dichters entsprechend seinem sich wandelnden politischen, philosophischen und religiösen Engagement."
Briefe; Piper Anmerkungen S. 643

"Es kann heute kein Zweifel mehr bestehen, daß Belinski als Persönlichkeit und als Ideologe in dialektischer Weise Dostojewski erst zum Genie gemacht hat. Ohne den lebenslangen Dialog mit dem Kritiker wäre Dostojewski niemals bis in die Tiefen seiner notvollen Begabung vorgestoßen."
Onasch, Konrad; Dostojewski als Verführer S. 33

Wissarion Belinski

"Von Belinski war er ursprünglich in die sozialistischen Lehren der westlichen Länder eingeführt worden, und er hatte sich für sie begeistert, weil sie selbst begeisternd waren, oder wenigstens, wie er von den sozialistischen Büchern sagte, `mit Begeisterung für die Menschheit geschrieben`". Doch schon damals stieß ihn zurück, daß Belinski die sozialistischen Ideen in einer unreifen und vorlauten Abwandlung gegen die christlichen ausspielte und mit Atheismus großtat.

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Belinski und Christus: das ging schon gar nicht, das war keine Gleichung, das war Gotteslästerung. Der Gedanke an Belinski verließ Dostojewski nicht wieder. Er trug ihn mit sich als eine Kränkung, die ihm angetan worden war, die er selbst sich angetan hatte, und die er sich nie verzieh. Spät noch, im `Tagebuch`, kam er auf die alte Abrechnung zurück, die er mit ihm hatte: `Dieser Mensch hat Christus vor mir beleidigt und war doch niemals imstande, sich selbst oder irgendeinen von allen diesen Führern der ganzen Welt in Gleichwertigkeit an die Seite von Christus zu stellen.`"
Arthur Moeller van den Bruck; Dostojewski, der Nihilismus und die Revolution


Am Tage Belinskis Tod entgegnet Dostojewski gegenüber Dr. Janowski: „Väterchen, ein großes Unglück hat sich ereignet – Belinski ist tot.“
Onasch; Dostojewski Biographie  S. 40

Während seines vierjährigen Europa-Exils begann er in Dresden den Text „Meine Erinnerungen an Belinski“ zu schreiben. In Genf beendete er ihn. Den Text versandte er an A. Majkow, der wiederum an einen jungen Redakteur, für dessen zu veröffentlichende Sammlung. Daraufhin ist der Text, wie auch alle anderen für die Sammlung vorgesehenen Texte, verschwunden.

Mit Belinski gebrochen ja, aber "fertig mit Belinski" war Dostojewski wohl nie. So führte er noch im europäischen Exil all dessen Werke mit sich.

„Belinskij hat damit begonnen, die Idee des Zarentums mystisch und heilig zu finden und sich mit Hegel über die Vernünftigkeit alles Wirklichen beruhigen zu können; später hat er eingesehen, dass nicht alles Wirkliche vernünftig sei.
Dostojevskij hat Ende der vierziger Jahre mit dieser Erkenntnis Belinskis angefangen, aber mit der mystischen Heiligkeit des Zarentums geendet. Man vergleiche nur Dostojevskijs letztes Heft des `Tagebuches` mit Belinskijs Referat über die Schlacht von Borodino!“
Masaryk, T. G.; Polemiken und Essays zur russischen und europäischen Literatur- und Geistesgeschichte   S. 153


Weiterführende Literatur:
Rammelmeyer, Alfred; Dostojewskijs Begegnung mit Belinskij S. 105 ff