Ein Besonderer?

Die Ultrakonservativen selbst geben den Hinweis darauf, dass Dostojewski nicht als „herkömmlicher“ Slawophiler zu betrachten sei, denn sie konnten sich mit den „Variationen“ seines trotzdem immer noch sehr konservativen Russentums nicht anfreunden. So verurteilte der ultrakonservative Leontjew Dostojewski wegen seinem sozialen Utopismus und unorthodoxen "neuen" Christentum. 
 
 
„Ein großes Volk muss, falls es sich lange am Leben halten will, glauben, dass gerade in ihm und nur in ihm allein die Rettung der Welt liege, das es dazu lebe, um an die Spitze der Völker zu treten, sie alle sich als Einheit einzuverleiben und sie in einem einheitlichen Chor zum endlichen, ihnen allen bestimmten Ziel zu führen.“
Tagebuch eines Schriftstellers
 
Dostojewski lässt in dieser Aussage die Idee des messianischen Nationalismus erkennen. Die Konzentration auf eine bestimmte auserwählte Nationalität wird ausgeschlossen, Nationalitäten werden nicht „zergliedert“ oder separiert.  Es geht um ein universales Bewusstsein aller Völker, sodass das messianische Volk sozusagen den Auftrag besitzt, alle Völker zu retten und dann selbst im universalen Volk aufzugehen und somit der ganzen Welt gedient zu haben. Dieses Volk, mit eben besagtem Ziel ist bei Dostojewski das russische, das „Gottträgervolk“.
Es geht Dostojewski nicht darum, den russischen Nationalismus als Lösung „anzubieten“. Diese Feinheit sieht Berdjajew im Wesentlichen als den Unterschied zwischen Messianismus und Nationalismus an. Recht deutlich wird dies an einem weiteren Ausschnitt seiner Tagebuchbetrachtungen.
 
Dostojewski einfach in die Garde der damaligen Slawophilen oder gar russischen Nationalisten eingereiht wissen zu wollen, erhält hiermit sicherlich einen Dämpfer.
Nichtsdestotrotz bleiben die Übergänge fließend. Dostojewskis Texte lassen nicht selten auch offen, ob er nun vom Allgott oder dem russischen Gott zu sprechen meint. Die Nähe Dostojewskis zum Nationalismus und zur Slawophilie bleibt sicherlich unbestritten.

Leontjew Panslawist Konservativer
Konstantin Nikolajewitsch Leontjew 1831 - 1891


„Jedoch stellt sich sein Verhältnis zum vorpetrinischen Russland und zur petrinischen Kulturrevolution komplexer dar als das der `Mainstream-Slawophilen`. Im Aufsatz `Zwei Lager von Theoretikern…` (1862) kritisiert Dostojevskij deren nostalgisch-idealisierendes Konstrukt einer vormals angeblich nur Russland eigenen, gesamtgesellschaftlichen `Ganzheit des Lebens`.
Veldhues, Christoph; Modernekritik im Kriminalroman In: Polyfunktion und Metaparodie, Dresden University Press 1989
 
„Die Bestimmung des Russen ist mit Sicherheit eine paneuropäische und weltumfassende Bestimmung. Wirklicher Russe sein, ganz Russe sein, heißt denn vielleicht auch nur aller Menschen Bruder, Allmensch sein."
 
"Oh, unsere ganze Spaltung in Slawophile und Westler ist ja nichts als ein einziges großes Mißverständnis, wenn auch ein historisch notwendiges. Einem echten Russen ist Europa und das Geschick der ganzen großen ansehen Rasse ebenso teuer wie Russland selbst, wie das Geschick des eigenen Landes, eben weil unsere Bestimmung die - wenn man sich so ausdrücken darf - Verkörperung der Einheitsidee auf Erden ist, und zwar nicht einer durch das Schwert errungenen, sondern durch die Macht der brüderlichen Liebe und unseres brüderlichen Strebens zur Wiedervereinigung der Menschen verwirklichten Einheit."
Aus der Puschkin-Rede
 
Im November 1868 in einem Brief an A. Majkow:
„Ich glaube, mein Freund, dass wir es nicht nötig haben, gar zu eifrig den Slawen nachzulaufen. Sie müssen selbst zu uns kommen.“
Briefe; Piper S. 276
 
„Bei aller Anerkennung ist ihm das Slawophilentum zu abstrakt, zu einseitig historisch und `moskowitisch`, die Slawophilen lieben Russland, aber sie haben doch das Gefühl für den russischen Geist verloren. Er lehnt ihren Aristokratismus (`aristokratische Sattheit`) in der Lösung der gesellschaftlichen Fragen ab. So spricht Dostojevskij in Wremja und Epocha. Aber bald änderte sich der Ton.“
Masaryk, T. G.; Polemiken und Essays zur russischen und europäischen Literatur- und Geistesgeschichte S. 143