Vlas

Veröffentlichung
1873 erstmalig veröffentlicht in "Tagebuch eines Schriftstellers"
 
Handlung
Ein junger Mensch wird dazu angestiftet, auf eine Hostie zu schießen.
 
Anmerkungen
Eine eigenständige Novelle, „in der der Fall des einfachen russischen Bauern – vom Autor in Anlehnung an Nekrasows gleichnamiges Gedicht (1855) Vlas genannt – berichtet wird, der sich in einer spontanen Anwandlung von Stolz zu einer blasphemischen Provokation Gottes hinreißen lässt. Er schießt auf eine geweihte Hostie, hat im selben Moment eine Vision des gekreuzigten Christus und pilgert darauf auf Knien zu einem Starec, um eine möglichst schwere Buße zu bekommen – `um leiden zu dürfen ist er her gekrochen`. Russische Leidens- und Christusorientiertung bilden für den reflektierenden Erzähler einen unauflösbaren Zusammenhang.“
Veldhues, Christoph; Modernekritik im Kriminalroman In: Dostoevsky Studies Bd. 1  S. 57
 
„In Dostoevskijs Skizze Vlas wird die Religiosität, die den russischen Nationalcharakter angeblich auszeichnet, gerade an seinem besonderen russischen Hang zur Blasphemie demonstriert, die somit zum Glaubensbeweis wird.“
Otto; Der Skandal in Dostoevskijs Poetik S. 206
 
In Nekrassows Vlas „ist der Held ein reicher Bauer und Kulak, ein Geizhals, der es mit Räubern und Pferdedieben hält, Getreide in Notzeiten zu Wucherzeiten verkauft und seine Frau auf dem Gewissen hat. Diesen Vlas überkommt im Alter die Reue. Zur Sühne zieht er als wandernder Bettler durch Russland, um Geld für den Bau neuer Kirchen zu sammeln.“
Städtke, Klaus; Studien zum russischen Realismus des 19. Jahrhunderts S. 158
 
Im Vlas-Artikel des Tagebuches erzählt der Autor nach der Interpretation des Nekrassowschen Gedichts, eine eigene Vlas-Geschichte, die einschließlich des Kommentars, nicht zu Unrecht als ein Vorentwurf bestimmter Problemstellungen im Roman `Die Brüder Karamasow` gewertet wird.“
Ebenda S. 159
 
„Die Vlas-Geschichte Dostojewskijs stellt sich dar wie eine Wegkreuzung, an der sich der wandernde Volksheld und der suchende Intellektuelle begegnen.“
Ebenda S. 161