Speschnjew, Nikolaij (1821 - 1882)


„Verstehen Sie denn nicht, ich habe mir meinen eigenen Mephistopheles aufgehalst!“
In einem Gespräch mit Dr. Janowski, Kjetsaa S. 91
 
 
Als Kind reicher Gutsbesitzer wird er 1821 geboren. Er besuchte gleichzeitig mit Petraschewski das Zarskosselski-Lyzeum. 1842 zieht er für vier Jahre ins Ausland. Als Atheist und Kommunist, hatte er Marx gelesen und war auch mit dem Kommunistischen Manifest vertraut. Sowohl unter den Petraschewzen als auch in der St. Petersburger Gesellschaft, genoss er den Ruf einer dämonischen Person - kalt, unnahbar, mysteriös.
 
Speschnjew war vermutlich eine Melange aus sozialistischer Radikalität und raumgreifendem Charisma. Nicht wenige konnte er relativ unvermittelt in seinen Bann ziehen. So scheint es  nicht verwunderlich, dass sich auch Dostojewski stark von dessen Aktionismus beeindruckt zeigte. Ein Mitglied des Petraschwewski - Zirkels begründet Speschnjews Wirkung mit dem Satz: „Sein Wort entsprach immer der Tat.“
 
„`Er war hochgewachsen. Seine Gesichtszüge wie gemeißelt`, schreibt eine Verehrerin, `die dunkelbraunen Locken fielen ihm gewellt über die Schultern, und die großen braunen Augen waren voll leiser Wehmut.`
(. . .)
`Er hatte eine große Macht über seine Mitmenschen`, notierte sich Bakunin, `alle sehen zu ihm auf und erwarten sich etwas Besonderes von ihm.`“
Kjetsaa S. 87
 
 Speschnjew, Nikolai Alexandrowitsch
 
Ab 1847 besucht er den Petraschewski - Zirkel, ist aber auch Teil des Kaschkin - Kreises.
Speschnjew besuchte zudem die Versammlungen bei Durow und Pleschtschejew.
 
Ende des Jahres 1848 sucht Dostojewski Speschnjews Nähe und sein Geld.
„Speschnjew sagte beim Verhör aus, dass im November oder Oktober 1848 Plestschjew und Dostojewski zu ihm kamen und erklärten, sie würden es vorziehen, sich mit ihren Bekannten an einem anderen Orte zu treffen, und nicht mehr bei Petraschewski, wo es langweilig wäre und über nichts anderes gesprochen wurde als über gelehrte Dinge.“
Beltschikow; Dostojewski im Prozeß der Petraschewzen S. 78
 
D. Janowski, zu der Zeit ein enger Bekannter Dostojewskis, in seinen Memoiren:
„Die Annäherung zu Speschnjew rief bei Dostojewski einen Umschwung hervor. Seite Ende 1848 hatte sich Dostojewski plötzlich geändert, er wurde gereizt und erregt.“
 
„Speschnjew hatte Dostojewski 500 Rubel geborgt, die Dostojewski nie hätte zurückbezahlen können. So sieht D. Janowski hierin auch einen Grund für Speschnjews Autorität gegenüber Dostojewski.“
Ebenda  S. 79
 
Ebenso berichtet er von Meinungsverschiedenheiten zwischen Dostojewski und seinem Bruder bezüglich der Bekanntschaft Speschnjews.
Vgl. Ebenda
 
„Im Verhör hat Speschnjew nur eingestanden, dass er, nachdem er von den kommunistischen Ideen während seines vierjährigen Auslandsaufenthaltes angesteckt worden sei (. . .), von der Herbeiführung eines Umschwungs in unserem gesellschaftlichen Leben geträumt habe.“
Vgl. Ebenda S. 80
 
Aus der Aussage des Spitzels Antonelli:
N. P. Grigorjew verfasste den agitatorischen Text `Das Soldatengespräch`, „das Speschnjew in Umlauf brachte und das Dostojewski bei diesem mit angehört hat.“
Beltschikow; Dostojewski im Prozeß der Petraschewzen S. 282
 
Das Vorhaben der Akteure um Speschnjew, eine geheime Druckerei zu betreiben, wurde begleitet von der faktischen Gründung einer Art Geheimbund mit dem Namen „Russische Gesellschaft“, nach Vorstellungen Speschnjews. So unterschrieben alle Mitglieder, auch Dostojewski, einen Treuschwur.
(Dieser ist nachzulesen in: Neuhäuser, Rudolf; Das Frühwerk, Heidelberg 1979  S. 149)
 
Speschnjew wird als Petraschwesze zum Tode verurteilt und nach Begnadigung in letzter Sekunde zu 10 Jahren Verbannung verurteilt.
 
 
Unmittelbar vor der Verkündung des Schießbefehls:
„Dostojewski nahm Abschied von Durow und Pleschtschejew. `Wir werden Christus sehen`, flüsterte Dostojewski Speschnjew zu, der mit spöttischem Lächeln erwiderte: `Eine Handvoll Erde`!“
Kjetsaa S. 118
 
„Man kann nur drei Wege gehen“, verkündete Speschnjew „den Weg der Intrige, der Propaganda oder der Gewalt. Sollte ich handeln, so würde ich letzteren wählen, und das Mittel wären Bauernaufstände.“
Ebenda S. 95
   
Dostojewski am 22.02.1854 in einem Brief an seinen Bruder Michail:
„Ein merkwürdiges Schicksal hat dieser Mensch! Wo und unter welchen Umständen er auch erscheint, überall bringen ihm selbst die unzugänglichsten Menschen Ehrfurcht und Achtung entgegen.“
 
Dostojewski hat später nicht gegen Speschnjew, wie z. B. gegen Belinski, polemisiert. Selbst zu seiner Feier anlässlich Dostojewskis Rückkehr aus der Verbannung war er als Gast zugegen.
 
Es besteht die Auffassung, Speschnjew würde die Vorlage für Stawrogin in den Dämonen gegeben haben. Diese Hypothese ist jedoch nicht unumstritten.

1856           wurde Speschnew durch eine Amnestie begnadigt und erhielt
                  die Möglichkeit ziviler Beschäftigung
1857 - 59   arbeitete als Redakteur der "Irkutsker Provinzeitung ".
1859 - 60   beteiligte sich an der Expedition nach China und Japan.
1860          erhielt seine Adelsrechte zurück, jedoch ohne seinen
                  vorherigen Besitz und kehrte nach Petersburg zurück
1861 - 62   als Schlichter tätig.