Festnahme


23. April / 5. Mai„Er wurde gemeinsam mit den anderen Petraschewzen in der Nacht durch die russische Geheimpolizei in die Peter-Pauls-Festung gebracht. In das Alexejew-Gefängnis wurden 13 der Verhafteten eingeliefert. (. . .) Das Alexejew-Gefängnis war seit der Zeit Peters I. bis zu Alexander III. das schrecklichste seiner Art. Dieses Gefängnis war der abgeschiedenste Ort in der Festung. ( . . .)
Ohne Anordnung des Zaren wurden Häftlinge nicht in diesen Kerker gebracht, aber auch nicht daraus entlassen.“
Beltschikow; Dostojewski im Prozess der Petraschewzn

Dostojewski selbst hat 1860 seine Festnahme in einem Album der Tochter seines Freundes A. P. Muljukow detailliert und humorvoll beschrieben:
"Am 22. oder richtiger gesagt, am 23. April kam ich gegen halb vier Uhr morgens von Grigorjeff nach Hause, legte mich zu Bett und schlief sofort ein. Nicht später als nach ungefähr einer Stunde merkte ich, noch im Schlaf, daß in mein Zimmer irgendwelche verdächtige und jedenfalls ungewöhnliche Besucher eingedrungen waren. Es klirrte plötzlich ein Säbel, der an irgendetwas anstieß. Sonderbar! Was hatte das zu bedeuten?

Mit Anstrengung schlage ich die Augen auf und höre eine weiche, freundliche Stimme: `Stehen Sie auf!` – Ich sehe: ein Polizeioffizier mit einem hübschen Backenbart. Doch nicht er hatte gesprochen: gesprochen hatte ein Herr in hellblauer Uniform mit Oberstleutnants-Epauletten.
`Was ist los?` fragte ich, mich aufrichtend.
`Auf Befehl. . .` – Ich sehe: Tatsächlich `auf Befehl`. In der Tür stand ein Soldat, gleichfalls in hellblau. Sein Säbel war es, der geklirrt hatte. . .

  Das Haus in dem er verhaftet wurde:
  Haus Schilja, Haus Nr. 8 Wosnessenski Prospekt

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`Aha! Also das ist es`, dachte ich... `Ja erlauben Sie mir ...` wollte ich anheben.
`Nichts da! Kleiden Sie sich an! Wir werden warten.` fügte der Oberstleutnant mit noch freundlicherer Stimme hinzu.

Während ich mich also ankleidete, verlangten sie von mir meine Bücher und begannen zu suchen; – sie fanden nicht viel, aber sie durchwühlten alles. Die Papiere und Briefe banden sie sorgfältig mit einem Schnürchen zusammen. Der Pristaw legte hierbei viel Umsicht an den Tag; er steckte die Nase in meinen Ofen und scharrte mit meinem Pfeifenrohr in der alten Asche herum. Der Gendarmerieunteroffizier stieg auf seinen Wunsch auf einen Stuhl und versuchte, auf den Ofen zu klettern, glitt aber vom Gesimse ab, fiel mit einem Krach auf den Stuhl und dann mit dem Stuhl auf den Fußboden. Da waren denn die scharfsinnigen Herren überzeugt, daß sich auf dem Ofen nichts befand.

Aber auf dem Tisch lag ein alter 15-Kopekenschein. Der Polizeioffizier betrachtete ihn aufmerksam und gab dem Oberstleutnant mit einer Kopfbewegung einen Wink.
`Ist's am Ende ein Falscher?` fragte ich.
`Hm... Das muß man noch untersuchen`... brummte der Polizeioffizier und erledigte die Frage zunächst damit, daß er auch die Münze den anderen beschlagnahmten Sachen hinzufügte.
Wir traten hinaus. Uns begleiteten die erschrockene Wirtin und ihr Diener Iwan, der zwar auch sehr erschrocken zu sein schien, aber mit einer gewissen stumpfen Feierlichkeit, wie sie dem Ereignis angemessen war, dreinschaute; übrigens – einer nicht gerade festtäglichen Feierlichkeit. Vor dem Hause hielt eine Kutsche, in die stieg zuerst der Soldat ein, dann ich, dann der Pristaw und der Oberstleutnant. Wir fuhren zur Fontanka, zur Kettenbrücke am Sommergarten. Dort gab es ein großes Kommen und Gehen von vielen Menschen. Ich sah eine Reihe von Bekannten. Alle waren verschlafen und schweigsam."

  Peter-Pauls-Festung im Jahr 2011. Heute ist sie ein Museum.

Vier Jahre zuvor besaß er diese ironische Distanz noch nicht. In einem Brief vom 24. März 1856 aus Semipalatinsk an Eduard von Todtleben heißt es:
„Ich war schuldig, das ist mir völlig klar. Man überführte mich der Absicht (doch mehr nicht), gegen die Regierung aktiv zu werden. Das Urteil entsprach dem Gesetz und war gerecht: eine lange Drangsal, schwer und qualvoll, hat mich ernüchtert und meine Ansichten in vielem verändert.“
Wie sooft, findet man bei Dostojewski auch sich auf zwei Seiten einer Wahrheit. Keine Wahrheit ist bei ihm wahrhaftig, denn dieser Brief diente vorrangig Dostojewskis Bittstellerei an den Adressaten, von dem er sich erhoffte, dass dieser ein sich anbiederndes Poem an die Zarin weiterleiten möge.

Auch Dostojewskis Brüder Michail und Andrej wurden festgenommen, jedoch recht bald wieder frei gelassen. Michail bekam später 200 Rubel Haftentschädigung.