Phase I
1845
Dostojewski lernte Turgenjew noch vor seiner Verschickung nach Sibirien kennen und war anfangs von ihm entzückt. Turgenjew machte dabei keine Ausnahme.
Sie verkehrten in den gleichen literarischen Kreisen (Panjew-Kreis), wurden von den gleichen Kritikern rezensiert. Turgenjew, elegant und reich, von ungezwungener Haltung, hatte in Gesellschaft viel mehr Beifall als der scheue, schweigsame und eruptive Dostojewski, der ihn anfangs neidlos bewunderte.
1845 an seinen Bruder Michael
„Beinah hätte ich mich in ihn verliebt. Ein Dichter, ein Genie, ein Aristokrat, schön, reich, klug, gebildet . . . In der Tat: ich wüsste keinen Vorzug, den ihm die Natur nicht verliehen hätte!“
„ . . . denn in Gedanken sah Dostojewski sich schon weit oben in höheren Regionen, zusammen mit Turgenjew, seinem Herzensfreund, der solche Verehrung genoss, dass sein Ruhm als junger, aber bereits namhafter Schriftsteller auch zu seinem Ruhm wurde und sein, Dostojewskis Ruhm, der eines noch am Anfang stehenden, aber schon bekannten Autors, auf Turgenjew zurückwirkte, und so, gemeinsam darin sonnend, schwebten sie über allen, und alle bewunderten ihre Freundschaft, diese beispiellose seelische Übereinstimmung, bis Turgenjew ihm zum erst einmal ein Bein stellte . . .“
Leo Zypkin; Ein Sommer in Baden-Baden
1846
"Die Erzählungen nach Dostojewskis Anfangswerk fanden keinen Beifall. Turgenjew und Nekrassow verfassten auf Dostojewski ein Spottgedicht, das von Hand zu Hand ging. Turgenjew vor allem war ihm wohl nicht recht wohlgesinnt gewesen: Dostojewskis Eruptivität stieß den harmonischsten aller russischen Dichter ab."
Maurina, Zenta; Dostojewskij, Maximilian Dietrich Verlag 1952 S. 32
So wurde Dostojewski in diesem Spottgedicht unter anderem auch als „neue rote Pustel auf der Nase der Literatur“ geschmäht.
Turgenjew 1856
1846 Herbst
Im Hause Panjews machte Turgenjew sich über Dostojewski als einen Provinzler, der sich für ein Genie hält, lustig.
„Dostojewski wurde weiß wie eine Wand, und begann am ganzen Körper zu zittern und stürzte aus dem Zimmer ohne Turgenjews Geschichte zu Ende anzuhören.“
Nach diesem Tag stellte er die Besuche des Panjew-Kreises ein. Im November schreibt er an seinen Bruder: `Das sind alles Schurken und Neidhammel!` “
Kjetsaa, Geir; Dostojewskij S. 73
1859
Es erschien das Adelsnest von Turgenjew und von Dostojewski Onkelchens Traum und Das Gut Stepantschikowo und seine Bewohner. Für Dostojewski ein völliger Reinfall beim Publikum.
Ebenso lief Dostojewskis Zeitschrift Die Epoche schlecht und stand kurz vor dem Aus.
Nikolai Nekrassow in jener Zeit: „Dostojewski als Schriftsteller ist erledigt. Er ist ausgebrannt.“
Kjetsaa, Geir; Dostojewskij S. 160
1859 schickte er seine Erzählung dem „Russischen Boten“, erhielt das Manuskript aber zurück: Die Schriftleitung war nicht einverstanden, die kategorisch verlangten 100 Rubel zu zahlen. Zur selben Zeit erhielt Turgenjew, der sorglos auf seinem großen Gut und in verschiedenen Badeorten lebte, viermal mehr.
Maurina, Zenta; Dostojewskij S. 78