Anmutung
Ein Mitschüler an der Militäringeneurschule zu Dostojewskis Erscheinungsbild:„Seine krankhafte Eigenliebe, seine moralische Empfindlichkeit und seine körperliche Schwäche zwangen ihn in die Einsamkeit.“Der Abstieg in die Hölle, Paul Evdokimov; Otto Müller Verlag Salzburg, 1965 S. 174
Ein Schulkamerad:
"Er hielt sich immer abseits, und mir kam es so vor , als ginge er dort ständig auf und ab, mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck . . . Er sah immer sehr ernst aus und ich kann ihn mir weder lachend noch sehr fröhlich im Kreis von Kameraden vorstellen."
Maurina, Zenta, Dostojewskij, Maximilian Dietrich Verlag 1952
A. E. Riesenkampf im November 1838:
"...ziemlich rundlich, blond, mit einem rundlichen Gesicht und einer etwas aufgestülpten Nase ... Seine hellkastanienfarbenen Haare waren kurz geschoren; unter der hohen Stirn und den undichten Augenbrauen verbargen sich nicht große, ziemlich tiefliegende graue Augen; die Wangen waren blass und hatten Sommersprossen; die Gesichtsfarbe war krankhaft, erdfarben, die Lippen etwas wulstig. Er war bedeutend lebhafter, beweglicher, hitziger als sein gemessener Bruder...“
Dostojewski, Autobiographische Schiften Kapitel 4
Augenzeugen aus dem Omsker Zuchthaus:
"Er blickte wie ein Wolf in der Falle; um schon gar nicht von den Häftlingen zu reden, die er überhaupt scheute und mit denen er überhaupt keine menschliche Berührungen haben wollte; die humanen Beziehungen von Personen, die sich seiner annehmen wollten und versuchten, ihm nützlich zu sein, schienen ihn zu bedrücken.
Immer mit gerunzelter Stirn und zusammengezogenen Brauen, ging er den Menschen aus dem Wege und versuchte in der lärmenden Arrestantenstube für sich zu bleiben . . . Jede Äußerung des Mitgefühls nahm er misstrauisch auf, als vermute er eine für ihn unangenehme verborgene Absicht."
Ebenda
Baron Wrangel, ein Freund während der Verbannung, beschreibt die erste Begegnung mit Dostojewski:
"Als Dostojewski zu mir ins Zimmer trat, war er äußerst zurückhaltend. Er trug den Soldatenmantel mit dem roten Stehkragen und roten Schulterstücken. Er war düster, sein mit Sommersprossen bedecktes Gesicht krankhaft bleich; sein hellblondes Haar war kurz geschoren. Prüfend betrachtete er mich mit seinen klugen, graublauen Augen; mir war, als wolle er meine Seele durchschauen."
Maurina, Zenta, Dostojewskij, Maximilian Dietrich Verlag 1952
Dostojewski 1880 - 6 Monate vor seinem Tod
Ein Zuhörer seiner Lesungen:
„Er konnte erstaunlich gut lesen. So etwas habe ich seither nicht mehr erlebt. Lesen kann man es allerdings kaum nennen, auch nicht Deklamation; es war gelebtes Lesen – eine kranke, epileptische Fieberphantasie.“
Strachow, zu Zeiten der "Wremja":
"Er trug damals nur einen Schnurbart und hatte, ungeachtet der mächtigen Stirn, ein ganz soldatisches Aussehen, d. h. Gesichtszüge, wie man sie unter dem einfachen Volke findet."
Literarische Schriften, Piper 1921 S. 6
Warwara Timofejewna, Mitarbeiterin des „Staatsbürgers“ über Dostojewski:
"Er war sehr blass und sah müde und krank aus. (. . . ) Sein Gesicht war düster und ausgemergelt, es war, als sei jeder Muskel in seinen eingefallenen Wangen und auf seiner hohen Stirn von Gedanken und Gefühlen belebt.(...) Der ganze Mensch wirkte verschlossen – keine Bewegungen, nicht eine Geste, nur die dünnen blutleeren Lippen bewegten sich krampfhaft nervös, wenn er redete."
Dostojewskij, Sträfling - Spieler - Dichterfürst, Geir Kjeetsa; Verlags KG Wiesbaden, 1985 S. 382
Journalistenkollegen über Dostojewski:
"Er wirkte älter als seine vierzig Jahre, wie er so mit krummen Rücken gebeugt herumhastete. Sein Augen wanderten von einem zum anderen, zwischen den Augenbrauen lag eine tiefeingegrabene Sorgenfalte und sein prüfender bohrender Blick war unsereinem nicht ganz geheuer."
Dostojewskij, Sträfling - Spieler - Dichterfürst, Geir Kjeetsa; Verlags KG Wiesbaden, 1985 S. 192
Der Dichter und Diplomat Eugène-Melchior de Vicomte lernte Dostojewski 1878 in einem Petersburger Salon kennen und beschreibt ihn in seinem Buch Le roman russe:
„Klein, mager, äußerst nervös, verbraucht und niedergedrückt von sechzig Jahren Elend, erschien er eher verblichen als gealtert (. . .) Niemals habe ich auf einem menschliche Antlitz einen solchen Ausdruck gehäuften Leidens gesehen. (. . . ) Zuerst wirkte er oft abstoßend – bis seine einzigartige Faszination zu wirken begann."
Städtke, Klaus; Dostojewski für Eilige, Aufbau Taschenbuch Verlag 2004
Eugène-Melchior de Vicomte
Eugène-Melchior de Vicomte:
„Er war das Spiegelbild all seiner Werke, seiner Erlebnisse. . . Seine Lippen seine Augenbrauen, jede Faser seines Gesichtes bebte von einer nervösen Krankheit. Und wenn sein Antlitz in Zorn entbrannte, war man immer überzeugt, dieses Antlitz bereits auf der Anklagebank oder unter umherziehendem Bettelvolk gesehen zu haben. Andererseits kam es auch vor, dass es die traurige Sanftmut von Heiligenfiguren alter slawischer Ikonen annahm.“
Kjetsaa, Geir; Dostojewskij, VMA Verlag Wiesbaden 1985 S. 376
Großfürst Romanow vom Zarenhaus beschreibt ihn in seinem Tagebuch:
„Ein mager, kränklich aussehender Mann mit langem dünnem Bart und einem ungewöhnlich traurigen gedankenvollen Ausdruck in dem blassen Gesicht.“
Ebenda S. 390
„Sein Antlitz scheint zuerst, das eines Bauern. Lehmfarben, fast schmutzig falten sich die eingesunkenen Wangen, zerpflügt von vieljährigem Leid, dürstend und versengt spannt sich mit vielen Sprüngen die rissige Haut, der jener Vampir zwanzigjährigen Siechtums Blut und Farbe entzogen. Rechts und links starren, zwei mächtige Steinblöcke, die slawischen Backenknochen heraus, den herben Mund, das brüchige Kinn überwuchert wirrer Busch von Bart. Erde, Fels und Wald, eine tragisch elementare Landschaft, das sind die Tiefen von Dostojewskis Gesicht.“
Zweig, Stefan; Dostojewskis Antlitz In: Das Inselschiff S. 195