Gogol, Nikolai Wasiljewitsch (1809 - 1852)



Beide Dichter beschäftigten sich ein Leben lang mit der Problematik der menschlichen Verworfenheit, gelangen aber zu verschiedenen Lösungen. Gogols ist dantesk und Dostojewskis Hölle ist irreligiös.
Vgl. Thieß, Dostojewski S. 30

„Der andere russische Schriftsteller (neben Puschkin), den Dostojewski schon in seiner Jugend in sein Herz schloß und dem er bis an sein Lebensende treu blieb, war Gogol, der Schöpfer einer bizarren Typengalerie, der schonungslose Enthüller russischer Missstände. Als er starb, war Dostojewski dreißig Jahre alt. Seine Beziehung zu Gogol hat er in dem berühmten Satz ausgedrückt: `Wir alle sind dem Mantel Gogols entstiegen.` ”
Maurina; Dostojewskij S. 19

“Laut Belinski war Dostojewskij der geistige Ahne Gogols, man merke das an seiner Sprache, aber die Konzeption der Werke und Charaktere leuchten durch hervorragende Selbstständigkeit.“
Maurina; Dostojewskij S. 340

„Auch Dostojewski ist ohne Gogol nicht zu denken; er bedurfte wie jeder Dichter, den es zur Gestaltung treibt, eines Meisters, dessen geistige Welt der seinen den Weg zu sich selbst öffnet.“
Thieß, Dostojewski S. 24

„Dostojewski hat selber auf den Einfluss des Werkes von Gogol hingewiesen und diesen persönlich zu seinem Vorbild erklärt. So ist es nicht verwunderlich, dass sich seine Verbundenheit mit dem Werk von Gogol auch in dem Umgang mit dem Großstadtmotiv zeigt und bereits in seinem frühen Werk der Mythos Großstadt entsteht. Die Abbildung der dunklen und unergründlichen Seiten Petersburgs, die in Dostojewskis Gesamtwerk wiederholt auf der genauen Schilderung der Topographie der Stadt aufbauen, führen zu einer typischen inneren Epik. Wie in Gogols Werk wird erst über das Schicksal der Figuren die Umwelt in ihrer Tiefe sichtbar, und wird im Erzählen Petersburg zu einem zusammengesetzten Bild von individueller Wahrnehmung und äußerer Objektwelt.“
Vgl. von Hilgers, Max; „Spiegel, Schatten und Dämonen“ S. 181


„Von russischen Schriftstellern las Dostojewski damals mit besonderer Vorliebe Gogol, aus dessen Toten Seelen er gern ganze Seiten auswendig vortrug.“
Dostojewski - Autobiographische Schriften, Piper 1919

“Gogol geht aber immer aufs Ganze und ist daher nie so tief wie ich.”
Dostojewski im Februar 1846 an seinen Bruder Michail
Briefe; Piper S. 53

„Daß Dostojewski in keinem der uns bekannten Briefe zu erklären versuchte, was ihn an Gogol fesselte, ist kein Zeichen der Gleichgültigkeit, eher das Gegenteil.
(. . . )
Gogols fratzenhafte Dekoration der Wirklichkeit und die ihr inneliegende Traumdimension mochte ihm erst aufgegangen sein, als er den Doppelgänger schrieb. Doch Der Mantel war das Werk, von dem er die Idee zu seinem ersten Roman Die armen Leute empfing.“
Thieß, Dostojewski S. 25

„Bjelinski, der einen Teil des Werks im Manuskript las, sagte Der Doppelgänger wäre ohne Gogols Aufzeichnungen eines Wahnsinnigen und ohne Nase nie geschrieben worden."
Thieß, Dostojewski S. 30

„Gogol war für Dostojewski lebenslang ein Zentrum, von dem er sich zugleich angezogen und abgestoßen fühlte. (. . .) In den 40er Jahren misst sich Dostojewski stets an Gogol.“
Hitzer; Anhang Briefe, S. 653

„Gogol, Belinskij wie auch Dostojewskij. Bei allen findet sich die Vorstellung einer Doppelbödigkeit der Welt.“
Neuhäuser; Frühwerk S. 23f

„Dostojewskij stand unter dem Einfluß Gogols, der die Macht des Dämonischen, des Teuflischen über die Menschen zu einem Wesenszug seiner Werke gemacht hatte. Es ist daher auch nicht verwunderlich, wenn schon in Dostojewskijs frühen Werken, die ja den größten Einfluß aus dem Gogolschen Werk beziehen, das dämonische Element auftritt.“
Ebenda S. 141

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„Einer der besten Dostojewskijkenner, der schon erwähnte Exilrusse Moschulskij, hat Dostojewskijs Roman (Der Doppelgänger) geradezu als eine Neufassung, bzw. Kombination Gogolscher Erzählungen beschrieben.“
Ebenda S. 165

„Dostojewskij sah in Gogol `die schreckliche Macht des Lachens – eine Macht, die noch nie und bei noch niemandem, in keiner Literatur seit der Erschaffung der Welt so stark zum Ausdruck gekommen ist.`“
Ebenda S. 209

Walerjan Majkow, Mitte der 40er Jahre:
„Gogol und Dostojewskij beschreiben beide die reale Gesellschaft. Aber während Gogol in erster Linie ein sozialer Schriftsteller ist, tut Dostojewskij sich vor allem als psychologischer Dichter hervor. Für den einen ist das Individuum als Repräsentant einer bestimmten Gesellschaft oder eines gewissen Milieus von Bedeutung; für den anderen ist die Gesellschaft nur unter dem Aspekt interessant, welchen Einfluß sie auf die individuelle Persönlichkeit hat.“
Kjetsa; Dostojewski – Sträfling, Spieler, Dichterfürst S. 79

"Die äußere Gemeinsamkeit mit Gogol`s künstlerischen Mitteln ist durch das g a n z e Schaffen Dostojevskijs bis zu seinem Tode zu verfolgen, und es ist fast unmöglich, hierin irgendwelche Schwankungen zu erkennen und Einschnitte zu machen. Die Merkmale, durch die sich die beiden Schulen trennen, sind auffällig und leicht zu bemerken."
D. Gerhardt, Gogol und Dostojewski S. 145

Dostojewskij hatte mehrfach Belinskis berühmten Brief an Gogol im Petraschewski-Kreis verlesen, in dem Belinski Gogols späte, konservative Ansichten verurteilte.

Es erscheint geradezu aberwitzig, dass der, Zeit seines Lebens, Gogol zugetane Dostojewski für das Verlesen eines Briefes, der Gogol kritisiert und von einem durch und durch Gogol geprägten Schreibers, nämlich Belinski, zum Tode verurteilt wird.