Omsker Gulag
Die Probleme mit der Zensur verhielten sich jedoch völlig anders. Ihnen war es nicht brutal genug geschrieben. So hatte man Befürchtungen, dass es nicht abschreckend genug sei.
Gemälde, das Dostojewski in einer Omsker Häftlings-Baracke zeigt
im Omsker Dostojewski-Museum (c) Judith Vöcker
Ohne Anklage und Selbstmitleid hielt Dostojewski die schweren Jahre durch, aber wie in der Petersburger Ingenieurschule nicht zwischen dem Menschen und seiner Umgebung – sondern in ihm selbst.
Vgl. Thieß, Transzendenz
„Madame Iwanow, Tochter des Dekabristen Annenkow, die ihm schon in Tobolsk so viel half, war mit ihrem Manne, Chef der Gendarmerie, nach Omsk umgesiedelt und konnte ihm gar manches Mal Geld und Essen, ein paar Mal sogar Bücher ins Gefängnis hineinschmuggeln.“
Rachmanowa S.129 Bd. 2 Vgl. auch Troyat S. 156
Nach seiner Entlassung aus Omsk verbrachte Dostojewski noch zwei Wochen bei dieser Familie.
„Auch der Chefarzt des Militärspitals, Troitzki, hat dem Sträfling Dostojewski gegenüber mancherlei nützliches Wohlwollen übrig. Nicht selten nahm er ihn nach einer Scheinvisite ins Spital auf und ließ ihn sich dort einige Tage erholen.“
Troyat S. 150
Während seiner Zeit in Omsk kam Dostojewski von Anbeginn bis zur Entlassung in die Lage, zahlreiche Protektionen in Anspruch nehmen zu können, die sein Leben nicht unerheblich erleichterten und mit denen eines regulären Häftlings nur bedingt gleichsetzen lässt.
Vgl. Dostojewski Briefe - Anhang, Piper-Ausgabe 1920
„Am 15. März 1854 verlässt er das Bagno. Aber erst im März wurde er nach Semipalatinsk transportiert. Fast zwei Wochen lang wohnte er in Omsk bei seinen Freunden, den Iwanow. Frau Iwanow war die Frau des Dekabristen Annenkow. Sie war Dostojewski in Tobolsk begegnet und hatte sich zusammen mit ihrem Manne während seiner gesamten Gefangenschaft bemüht, seine Qualen zu erleichtern, hatte ihm etwas Geld oder Lebensmittel zukommen lassen.“
Troyat 156
Gemälde von G. Korzhev-Chuvelev
Später soll Dostojewski ein doch leicht verzerrtes Bild entwickeln. Dostojewski an den Bruder von Wladimir Solowjow:
„Oh, Sibirien und die Zwangsarbeit, das war für mich ein großes Glück! Man sagt, es sei dort empörend und schrecklich, man spricht von berechtigter Entrüstung… Was für eine Dummheit! Erst dort begann ich, gesund und glücklich zu leben, dort verstand ich mich selbst…, Christus…, den russischen Menschen, und dort bekam ich das Gefühl, dass auch ich Russe bin, ein Sohn des russischen Volkes. Die besten Gedanken hatte ich allesamt damals, jetzt kehren sie nur zurück, aber längst nicht so klar! Oh, brächte man doch auch Sie zur Zwangsarbeit!“
Oberst Aleksej Fedorowitsch Halt Grawe
Der Festungskommandant Aleksej Halt Grawe hat wohl im März 1852 einen Antrag auf Befreiung Dostojewskis von den Ketten gestellt, der alle bürokratischen Hürden nahm - bis auf die Genehmigung des Zaren.
Rachmanowa Bd 2, S.128
Andere Quellen hingegen behaupten, die Fußfessel wären Dostojewski 1852 wegen guter Führung abgenommen worden.
Fußfesseln der Omsker Strafgefangenen im Omsker Dostojewski-Museum
© Judith Vöcker
„Es wäre zu viel gesagt, Sibirien habe Dostoevskij gebrochen, jedenfalls hat es ihn aber vergiftet.“
Masaryk, T. G.; Polemiken und Essays zur russischen und europäischen Literatur- und Geistesgeschichte S. 74
"Das theoretisch konstruierte Weltbild des jungen Dostoevskij wurde in Omsk einer Prüfung unterzogen und in wesentlichen Punkten verworfen."
Städtke Klaus; Studien zum russischen Realismus des 19. Jahrhunderts S. 102
Drei oder vier Tage im Juli 1859 soll er nochmals in Omsk gewesen sein, um sich "endgültig" von Sibirien zu verabschieden.
Vgl. megansk
Artikel Dostojewskis Leben in Sibirien
aus der Kölnischen Zeitung, vom 13. November 1926