Phase III

1867 in einem Brief von an Majkow:
„Ich muß Ihnen offen gestehen, daß ich rein persönlich diesen Menschen auch früher nicht gemocht habe. Am jämmerlichsten ist es, dass ich ihm noch seit unserem letzten Zusammentreffen in Wiesbaden fünfzig Taler schuldig bin und bisher nicht zurückgegeben habe. Ich kann auch seine aristokratischen, pharisäerhaften Umarmungen nicht leiden; er tut, als wollte er einen küssen und reicht einem dann nur die Wange. Rein als wäre er ein hohler General.“
Maurina, Zenta, Dostojewskij, Maximilian Dietrich Verlag 1952

Im selben Brief:
„Und diese Leute wagen es noch, sich zu rühmen, dass sie Atheisten sind! Turgenjew selbst, erklärte mir offenherzig, er sei aus Überzeugung Gottesleugner.“

Und weiter aus diesem Brief:
„Sein letzter Roman Rauch hat mich einfach wild gemacht. Er selber sagte mir, der Hauptgedanke, der Ausgangspunkt dieses Buches liege im Satz: `Und wenn ganz Russland von der Oberfläche verschwände, so würde das weder die ganze Menschheit aufregen noch einen Nachteil für sie bedeuten.` (. . .) Er schimpfte schrecklich und auf eine ganz unanständige Weise über Russland und die Russen.“

Turgenjews Westlertum erschien Dostojewski als ein Hochverrat an der Heimat.


„Turgenjew sagte mir, dass wir vor den Deutschen auf allen Vieren kriechen müssten, dass es für alle nur einen gemeinsamen Weg, der Zivilisation gäbe, und dass alle Versuche des Russizismus und der Selbstständigkeit eine Schweinerei und Dummheit wären.“
Ebenda

„Er sagt, er schreibt einen großen Artikel gegen alle Russophilen und Slawophilen. Ich riet ihm der Bequemlichkeit halber ein Teleskop kommen zu lassen `Wozu` fragte er. `Von hier ist es zu weit`, antwortete ich, `Sie könnten das Teleskop auf Russland richten und uns beobachten; denn ohne dies ist alles schwer zu erkennen.`"
Ebenda

Kurz vor dem Abschied ließ Dostojewski seiner Emigrantenbitterkeit freien Lauf und behauptete, das einfache deutsche Volk sei ehrloser als das russische und dass es dümmer sei, liege auf der Hand.

Dazu im gleichen Brief:
„Turgenjew erbleichte (buchstäblich, und ich übertreibe wirklich nichts, nichts!) und erwiderte mir:`Mit diesen Worten beleidigen Sie mich. Wissen Sie denn nicht, dass ich mich hier endgültig niedergelassen habe, ich zähle mich selbst zu den Deutschen und nicht zu den Russen und ich bin stolz darauf.`"
Maurina, Zenta; Dostojewskij  S. 113

Dostojewski nannte Turgenjew inzwischen seinen „persönlichen Feind“.

Nachdem Dostojewski auf seiner ersten Auslandsreise den Kristallpalast der Londoner Weltausstellung gesehen hatte, wurde dieser für ihn zum immer verwendeten Sinnbild und Symbol menschlicher Hybris. Turgenjew hingegen lässt Potugin sagen, dass der Kristallpalast, eine `Enzyklopädie der Menschheit` darstelle, an der allein Russland nichts beigetragen habe.
Hielscher, Karla; Dostojewski in Deutschland

Dostojewski lässt sich im Mai 1871 in einem Brief an Strachow über Turgenjew aus. Er diffamiert ihn und beklagt, dass Turgenjews Kunst die ideologische Ausrichtung fehle. Es treibt ihn der Neid auf seinen wohlhabenden Konkurrenten. Aber nicht allein, darüber hinaus fehlt es Dostojewski für den Künstler und den Russen Turgenjew an einem Grundverständnis. So schließt er denn auch: „Aber wissen Sie – alles das ist Gutsherren-Literatur. Sie hat alles gesagt, was sie zu sagen hatte.“

Dostojewski ließ sich dazu herab, und verspottete Turgenjew in seinem Roman Die Dämonen. Er zeichnete ihn darin sarkastisch bis bösartig in der lächerlichen bemitleidenswerten Figur des hoffnungslosen Schriftstellers Karmasinows. Dies blieb in der Literaturwelt nicht unbemerkt und hatte sich schnell herumgesprochen.

Turgenjew war darüber sehr entrüstet und machte sich beispielsweise im Dezember 1872 in einem Brief an M. Muljutina Luft:
„Er hat mich damals schon gehasst, als wir beide noch jung waren und am Anfang unserer Laufbahn standen, obwohl ich mit nichts diesen Hass verdient hatte; aber die grundlosen Leidenschaften, heißt es, sind die stärksten und die dauerhaftesten. (…) Ich kann nur bedauern, dass er sein nicht zu bezweifelndes Talent zur Befriedigung solch hässlicher Gefühle einsetzt.“
Gerigk; Turgenjew - eine Einführung S. 153

So verwundern auch Turgenjews Anmerkungen zu Dostojewskis Jüngling nicht allzu sehr:
„Ich habe (…) einen ersten Blick in dieses Chaos getan: Mein Gott, was ist das für ein saures Zeug, dieser Krankenhausgeruch, dieses unersprießliche Gemurmel und psychologische Strohdreschen!“
Turgenjew am 7. Dezember 1875 in einem Brief an Saltykow-Schtscherdin

Baden Baden 22. Dezember 1867 - Turgenjew in einem Brief an Pjotr Bartenjew:
„. . . . bin ich meinerseits gezwungen zu erklären, dass ich es schon deshalb für unangebracht hielte, meine innersten Überzeugungen vor Herrn Dostojewski auszudrücken, da ich ihn – in Folge krankhafter Anfälle und anderer Gründe – für einen Menschen halte, der seine eigenen Geisteskräfte nicht unter Kontrolle hat, eine Meinung, die übrigens von vielen anderen Personen geteilt wird.
Ich habe mich mit Herrn Dostojewski, wie gesagt nur einmal getroffen. Er hat nicht mehr als eine Stunde bei mir gesessen und ist, nachdem er sich mit schrecklichem Geschimpfe über die Deutschen, über mich und mein letztes Buch erleichtert hat, wieder gegangen.“
Iwan Turgenjew; Briefe - eine Auswahl,  Aufbau Verlag Berlin und Weimar

1876 August
Auf der Rückreise von Bad Ems traf Dostojewski Pawel Annenkow, einen guten Freund Turgenjews, und bat ihn, seinem latenten Rivalen fünfzig Taler zu überbringen.
Turgenjew protestierte: Er habe Dostojewski 100 Taler vorgestreckt. Dostojewski erwiderte um 100 gebeten zu haben, jedoch lediglich 50 erhalten zu haben. Erst durch das Bemühen Dostojewskis Frau, die den betreffenden Brief auftrieb, begnügte sich Turgenjew.

  Der Brief von Dostojewski an Turgenjew, der den Empfang der 50 Taler bestätigt.
  Am Fuß der zweiten Seite: Turgenjews Quittierung über die Rückzahlung