und Spiel
„Ich erkenne die ganze Niedrigkeit dieser ungeheuerlichen Leidenschaft und auch, dass sie eine teuflische Sache, ein Sumpf ist, und doch zieht es mich nur so hin.“
Bereits 1862 hat Dostojewski in Wiesbaden Bekanntschaft mit dem Roulette gemacht. Der Bruder Michael an Dostojewski in zwei Briefen:
„Hör um Gottes Willen auf zu spielen. Wo soll das hinführen, wenn Leute mit unserem Glück spielen.“
„Nach Deinem kurzen Aufenthalt in Wiesbaden haben Deine Briefe einen geschäftsmäßigen Ton angenommen. Über die Reise, über die Eindrücke schreibst Du kein Wörtchen mehr.“
Dies wird leider für einen Großteil all der Briefe, die Dostojewski in seinem Leben noch schreiben wird, gelten.
Turin 20. September 1863 - in einem Brief an den Bruder Michael:
„Ich habe in Wiesbaden ein Spielsystem erfunden, habe es angewandt und sofort 10.000 Franken gewonnen. Am Morgen habe ich dieses System in der Aufregung abgewandelt und darauf sofort verloren. Am Abend bin ich wieder mit aller Strenge zu dem alten System zurückgekehrt und habe ohne jede Mühe wiederum ganz schnell 3.000 Franken gewonnen.“
Hielscher, Karla; Dostojewski in Deutschland
Paris September 1863 - in einem Brief an einen Bekannten:
„Bitte denken Sie nicht, ich prahlte aus Freude darüber, nicht verloren zu haben, wenn ich sage, ich kenne das Geheimnis, wie man gewinnt und nicht verliert. Dieses Geheimnis kenne ich tatsächlich; es ist ganz naiv und einfach und besteht darin, sich in jeder Minute zu beherrschen und nicht in Leidenschaft zu geraten.“
„Man kann Dostojewski nicht zu den Berufsspielern rechnen. Er war das, was man einen Gelegenheitsspieler zu nennen pflegt, Dilettant und zwar Dilettant der blutigsten Art.“
Meier-Graefe; Dostojewski - Der Dichter S.179
Roulettetisch im Casino Wiesbaden (c) Commons
„Ich hatte schon am Morgen angefangen zu spielen und gegen Mittag 16 Imperial verloren. Geblieben waren nur noch 12 und ein paar Taler. Nach dem Mittagessen ging ich mit dem Vorsatz hin, äußerst vernünftig zu sein, und habe Gott sei Dank alle 16 Imperial zurück und darüber hinaus 100 Gulden hinzugewonnen. Und ich hätte 300 gewinnen können, sie waren schon in meinen Händen, aber ich riskierte zu viel und habe sie vertan."
Homburg 18. Mai 1867 - Dostojewski in einem Brief an seine Frau:
„Das ist meine endgültige Beobachtung Anja: Wenn man vernünftig ist d. h. wie aus Marmor, kalt und unmenschlich vorsichtig, kann man ganz gewiss, ohne jeden Zweifel, gewinnen, soviel man will. Aber man muss lange spielen, viele Tage, muss sich mit wenigem begnügen, wenn es nicht läuft, und darf sich nicht gewaltsam auf eine Chance stürzen.“
„Von der im Ausland zugebrachten Zeit, stellen die in Spielorten verbrachten Tage und Wochen nur einen Bruchteil dar, im Ganzen vier Monate.“
Meier-Graefe; Dostojewski - Der Dichter
Dieser Versuch einer Relativierung erscheint riskant. Wenn Dostojewski gespielt hat, verlor er alles. Immer und immer wieder alles. Dass die Summen insgesamt nicht hoch gewesen wären, ist keine allzu griffige Argumentation. Die Höhe der Summe erscheint unerheblich. Das Ergebnis seiner spielerischen Versuche war nahezu ausnahmslos Null. Er gefährdete immer aufs Neue seine bzw. die Existenz seiner Familie. Zu wesentlichen Teilen scheint die Verantwortung für die Not im Spiel zu liegen.
Meier-Graefe hingegen meint, dass Dostojewski durch seine Not zum Spiel genötigt gewesen sei.
28. April 1871 - Dostojewski in einem Brief an seine Frau:
„Mir ist Großes widerfahren. Der hässliche Traum ist verschwunden, der mich fast 10 Jahre gequält hat. Zehn Jahre lang, seit dem Tod meines Bruders habe ich, von Schulden erdrückt fortwährend, vom Spielgewinn geträumt, ernstlich, leidenschaftlich; jetzt ist alles zu Ende. Dies ist das allerletzte Mal gewesen.“
Fülöp-Miller & Eckstein; Dostojewski am Roulette, Piper Verlag 1925
1868 wurden im Norddeutschen Bund mit vierjähriger Übergangsfrist und 1872 im gesamten Deutschen Reich alle Spielbanken geschlossen.
„Wie vorausgesehen, hatte das Roulettespiel einen kläglichen Erfolg, und die Auslagen, die Reise inbegriffen, betrugen 180 Taler, ein Betrag der für uns keineswegs belanglos war. Die grausamen Qualen Fjodor Michailowitschs während dieser Woche, als er sich vorwarf, das Geld seiner Familie entzogen zu haben, wirkten auf ihn so stark, dass er beschloss niemals mehr zu spielen.“
Dostojewskaja; Erinnerungen
Casino in Wiesbaden (c) Renate Dodell
Bereits in Semipalatinsk äußert Dostojewski:
„Huh, wie hitzig ist da gespielt worden! Abscheulich, kein Geld zu haben! Ich erkenne die ganze Niedrigkeit dieser ungeheuerlichen Leidenschaft und auch, dass sie eine teuflische Sache, ein Sumpf ist, und doch zieht es mich nur so hin, saugt sich geradezu in mich hinein.“
Fülöp-Miller & Eckstein; Dostojewski am Roulette, Piper Verlag 1925