Graschdanin




"Nie im Leben habe ich einen konservativeren Menschen als Dostojewski gekannt."
Verleger Fürst Mestscherskij
 
 
Fürst Mestscherskij beschloss 1873 Dostojewski als Redakteur für seine Zeitschrift „Der Staatsbürger" (Graschdanin) einzustellen. Der Staatsbürger erschien von 1872 – 1914 ein bis zweimal wöchentlich, genoss jedoch keine besondere Popularität, mit Ausnahme der Zeit Dostojewskis, als Redakteur und seiner Rubrik "Tagebuch eines Schriftstsellers".
 
Bei einem monatlichen Gehalt von 250 Rubel, das Dostojewski zustand, hegte Dostojewskis Frau die Hoffnung auf den Zuwachs von Beständigkeit in ihrem Leben.
 
 Fürst Mestscherskij
 
Dostojewski bereute bald seinen Entschluss. Die Arbeit war undankbar. Er musste eingesandte Artikel selbst korrigieren und für seine Mitarbeiter verantwortlich zeichnen. Die Zensur war ihm immer noch auf den Fersen. Bereits nach vier Wochen brachte ihn eine Unvorsichtigkeit vor Gericht.
 
Warwara Timofejewna, Mitarbeiterin des „Staatsbürgers“ über Dostojewski:
„Er war sehr blass und sah müde und krank aus. (. . . ) Sein Gesicht war düster und ausgemergelt, es war, als sei jeder Muskel in seinen eingefallenen Wangen und auf seiner hohen Stirn von Gedanken und Gefühlen belebt. (. . .) der ganze Mensch wirkte verschlossen – keine Bewegungen, nicht eine Geste, nur die dünnen blutleeren Lippen bewegten sich krampfhaft nervös, wenn er redete.“
 
Dostojewskis Forderung, das Redaktionspersonal habe ihm mit „hündischem Gehorsam zu dienen“, fiel unangenehm auf. Bald hatte er den Spitznamen „Der Wüterich“ weg.
Kjetsaa S. 345 ff
 
 Graschdanin (Der Staatsbürger)  
 
In einem Brief vom 26. Februar 1873 an M. P. Pogodin klagt er sein Leid als Redakteur:
„Wir haben keinen Sekretär, aber ich werde darauf bestehen, dass wir einen einstellen, denn ich sehe, er wird gebraucht. Aber selbst mit einem Sekretär wüsste ich doch aus Erfahrung, dass ich mit den Autoren der Artikel persönlich reden muss, und zwar mit den Autoren, die neue Artikel bringen, dann muss man diese Artikel nochmals lesen (und das ist schrecklich) und sich mit Bergen von Artikeln vertraut machen die von dem früheren Redakteur noch liegen geblieben sind. Das nochmalige Lesen nimmt kolossal viel Zeit in Anspruch und zerrüttet meine Gesundheit, denn ich fühle, dass diese Zeit von der Zeit für wirkliche Arbeit abgeht.
Wenn man sich dann zum Drucken eines Artikels entschlossen hat, muss man ihn von Anfang bis Ende umarbeiten, was häufig vorkommt. Dann muss man einen ganzen Plunder Zeitungen lesen. Und mein wichtigster Kummer und das schlimmste Unglück hängt mit den Artikeln zusammen, die ich selbst schreiben will. Beim Abfassen eines Artikels bin ich nervös bis zum Krankwerden.
(…)
Vieles quält mich, zum Beispiel der völlige Mangel an Mitarbeitern für die bibliographische Abteilung."
Gesammelte Briefe; Piper Verlag S. 415 f
 
Einige seiner Beiträge aus dem "Staatsbürger" findet man in:
Wagner / Westphalen (Hrsg.); Russland und die Menschheit, aus der Serie "Klassiker der Staatskunst" Band 6
Verlagsgemeinschaft "Stifterbibliothek" Wien 1950