Nekrassow, Nikolai Alexejewitsch (1821 - 1871)

Nekrassow war es mit Grigorowitsch, der mit "Arme Leute" Dostojewski in den Dunstkreis Belinskis gebracht hat und somit ein fulminantes Debut für "Arme Leute" ermöglichte. 
1845 will Dostojewski mit Nekrassow den Almanach "Der Spötter" herausgeben. Der wird jedoch von der Zensur verboten.
 
November 1846 Dostojewski an seinen Bruder Michail:
"Jetzt verbreiten sie über mich das Gerücht, dass ich vor Ehrgeiz krank sei. (. . .) Nekrassow hat nun die Absicht, mich herunterzureißen."
Briefe, Piper S. 63
 
Februar 1847 Dostojewski an seinen Bruder Michail:
Am schlimmsten hat mich Nekrassow gekappt, dem ich seine 150 Silberrubel zurückgab, da ich nicht wünschte, mit ihm leiert zu sein."
Ebenda S. 67
  
Die gemeinsamen Ideale liefen jedoch, insbesondere nach Dostojewskis Rückkehr aus Sibirien, zunehmend auseinander. Trotz ihrer letztendlichen ideologischen Verfeindung blieb ihr Verhältnis bis zum Tode Nekrassows intim.
 
Dostojewski bricht mit der Zeitschrift "Der Zeitgenosse" und seinem Herausgeber Nekrassow. Nekrassow schreibt ein Spottgedicht auf Dostojewski.
 
Als Dostojewski seine Zeitschrift "Die Zeit" herausbringt, veröffentlicht darin auch Nekrassow. In dem Nachfolger "Die Epoche" wiederum nicht. Sie ist Nekrassow zu monarchistisch ausgerichtet.
Dostojewski hingegen veröffentlicht seinen "Jüngling" 1875 in den "Vaterländischen Annalen" - herausgegeben von Nekrassow und Saltykow.

 
Februar 1875 Dostojewski an seine Frau:
"Kurzum, das Ergebnis ist, dass man mich bei den `Vaterländischen Annalen`   außerordentlich schätzt und Nekrassow in ganz freundschaftliche Beziehungen zu mir treten will."
Briefe, Piper S. 437
 
"Das eine Mal akzeptiert Dostojewski Nekrassow als `großen Poeten`, das andere Mal sah er ihn als `Liberalen in Uniform`."
Ebenda S. 675
 
"Sein politischer Gegner Dostojewski besuchte den Todkranken häufig und las ihm mit heiserer Stimme seine letzten Gedichte vor. (. . .) Als die Mitarbeiter der Vaterländischen Annalen am offenen Grabe ihre Nachrufe gesprochen hatten, verlangten die jungen Leute, Dostojewski möge ebenfalls reden. Er tat dies mit äußerst erregter und stockender Stimme; diese Rede wurde erweitert und im Dezemberheft des `Tagebuch eines Schriftstellers` 1877 veröffentlicht."
Fabian, Erich; Von Puschkin bis Gorki S. 85
 
Darin heißt es unter anderem:
"Nekrassow ist ein russischer historischer Typus, eines der großen Beispiele dafür, bis zu welchen Widersprüchen und bis zu welchem Zwiespalt auf dem Gebiet der Moral und der Überzeugungen der russische Mensch in unserer traurigen Übergangszeit gehen kann. Aber dieser Mensch bleibt in unserem Herzen. Die Liebesäußerungen dieses Menschen waren so oft aufrichtig, rein und herzlich. Seine Sehnsucht nach dem Volke war aber so erhaben, dass sie ihn als Dichter auf die höchste Stelle setzt."
Dostojewskij, Tagebuch eines Schriftstellers, Vierter Band, Musarion Verlag München 1923  S. 327
 
 Nekrassow, Nikolai Alexejewitsch
 
Nach dem Gymnasium begann er eine Militärlaufbahn, brach diese dann jedoch ab. Die Aufnahmeprüfung für ein Studium bestand er nicht und arbeitete als Journalist.
 
"Er stellte seine `Muse der Rache und der Trauer` ganz in den Dienst der Geknechteten und Enterbten. Er ist der klassische Vertreter der anklägerischen Tendenzlyrik, und dementsprechend gehört er zu den wenigen russischen Lyrikern der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
 
Seine erste Gedichtsammlung erschien 1840 anonym und wurde von Belinski furchtbar verrissen. Im Jahre 1846 übernahm er die Redaktion des von Puschkin begründeten Zeitgenossen, den er bis 1866 leitete. Dies war die fruchtbarste Periode seines Lebens, in der seine besten und bekanntesten Tendenzgedichte erschienen; sämtlich erfüllt vom flammenden Protest gegen die Ausbeutung der Bauern und Arbeiter und insbesondere gegen die elende Lage der Frau auf dem Lande.
Von 1866 bis zu seinem Tode redigierte er die Vaterländischen Annalen. Nekrassow rang lange Zeit mit dem Tode und starb 1878 zu Petersburg.
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Der konservative Dostojewskij wollte an die Aufrichtigkeit der Liebe Nekrassows zum Volke nicht recht glauben: er stand ja auf dem Standpunkt, dass nur die Slawophilen das Recht hätten, über das Volk mitzureden. Außerdem klagte er Nekrassow des Hochmuts und sogar der Habgier an. Nach Nekrassow Tod jedoch, schrieb er in sein Tagebuch: `Nekrassow ist ein russischer historischer Typus, eines der auffallendsten Beispiele dafür, zu welchen Widersprüchen und Zwiespältigkeiten der russische Mensch in unserer traurigen Übergangszeit gelangen kann. Aber dieser Mensch bleibt in unserem Herzen.`
 
Nekrassow wurde, im Gegensatz zu den anderen Lyrikern, bei Lebzeiten nicht nur gelesen, sondern blieb auch der Abgott der russischen Jugend. Wir brauchen nicht zu erwähnen, dass diese Popularität nicht darauf beruhte, dass Nekrassow tatsächlich ein großer Dichter war, sondern auf Motiven, die mit der Dichtkunst nichts zu tun hatten."
Eliasberg, Alexander; Russische Literaturgeschichte in Einzelporträts, Wilhelm Goldmann Verlag, 1964
 
 
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