Brief an Belinskaja


Dieser Brief ist die Antwort auf einen Brief (5. Januar 1863) von Dostojewski an Belinskis Witwe.
 
Moskau, 17. Februar 1863
„Sehr geehrter Fjodor Michailowitsch!
 
(…)
Es war mir sehr angenehm zu erfahren, dass Sie sich meiner erinnern, und noch angenehmer, dass Sie meinen Brief auch zwischen den Zeilen gelesen haben. Von Herzen danke ich Ihnen dafür und drücke Ihnen kräftig die Hand.
 
Schon vor drei Jahren hatte ich die Absicht, Ihnen zu schreiben, aber meine Institutsschüchternheit hinderte mich daran. Wie oft habe ich mir auf dem Wege nach Kunzewo, auf der Vorbeifahrt an der Pokrow-Kirche und der Datscha der Kumanins (welche wohl Ihre Verwandten sind) gesagt: ob vielleicht Fjodor Michailowitsch jetzt hier zu Besuch ist; nun, dann werden wir ihn treffen, wenn er von dem Spaziergang zurückkehrt, aber es kam mir nicht in den Kopf, dass wir uns fünfmal auf der Straße begegnen und einander nicht erkenne könnten: wie viele Jahre und wie viel Leid haben wir seit der Zeit erlebt, in der wir uns nicht sahen.

Maria Belinskaja mit ihrer Tochter O. W.
und ihrer Schwester A. W. Orlow 1860

 
Dass Sie geheiratet haben und Teilhaber einer Zeitschrift sind, wusste ich. Ich wusste auch, dass Ihre Gesundheit immer schlecht war. Und deshalb, so wie sich Ihr Leben gestaltet hat, konnte man auch nicht erwarten, dass es sich zu schöner Blüte entfalten würde. Aber dass Sie unter epileptischen Anfällen leiden, ist für mich eine unerwartete und sehr schmerzliche Neuigkeit. Sogar damit hat Sie das Schicksal nicht verschont – groß (aber) ist seine Gnade für Sie.
 
Grüßen Sie Ihren Bruder und seine Frau aufrichtig von mir, sagen Sie ihnen, dass ich mich mit Vergnügen an die Zeit erinnere, die ich in Reval verbrachte, und dass ich niemals die freundschaftliche Gastfreundschaft vergessen werde, mit der Sie mich aufgenommen haben. Mit Ungeduld warte ich auf den Sommer. Ihre von ganzem Herzen ergebene
Maria Beliniskaja“
Onasch Konrad; Dostojewski-Biographie S. 57 f